Praxis - Airmanship Leitsätze
Inhalt
Airmanship ist weit mehr als nur das Beherrschen eines Flugzeugs – es beschreibt die Gesamtheit an Fähigkeiten, Einstellungen und Verhaltensweisen, die einen verantwortungsvollen, sicheren und professionellen Piloten ausmachen. Es geht dabei um die Verbindung aus fliegerischem Können, situativem Bewusstsein, Urteilsvermögen und einer jederzeit aufmerksamen, sicherheitsorientierten Grundhaltung.
Besonders in der privaten Fliegerei, wo Entscheidungen oft eigenständig und ohne direkte Unterstützung getroffen werden müssen, kommt dem Airmanship eine zentrale Bedeutung zu. Es ist der unsichtbare Rahmen, der das Handeln im Cockpit leitet – vom sorgfältigen Pre-Flight-Check über den respektvollen Umgang mit Luftraum und Mitmenschen bis hin zum richtigen Verhalten in Stress- oder Notfallsituationen.
Gutes Airmanship ist kein Zustand, sondern ein kontinuierlicher Prozess der Reflexion, Weiterbildung und Erfahrung – und die Grundlage für nachhaltige Sicherheit und Freude am Fliegen.
Sicherheitsorientierte Leitsätze
"Aviate – Navigate – Communicate"
Der wichtigste Grundsatz im Cockpit lautet: Aviate, Navigate, Communicate. Zunächst muss die vollständige Kontrolle über das Flugzeug sichergestellt werden, insbesondere in unerwarteten Situationen oder Notfällen. Sobald das Flugzeug stabil geflogen wird, folgt die genaue Bestimmung von Position und Kurs, um sicher und effizient das Ziel zu erreichen. Erst danach sollte die Kommunikation mit der Flugsicherung oder anderen Luftfahrzeugen erfolgen.
Diese Priorisierung stellt sicher, dass sicherheitsrelevante Aufgaben stets Vorrang haben und verhindert, dass durch Ablenkung beim Funken die Kontrolle oder Orientierung verloren geht – ein entscheidender Faktor zur Unfallvermeidung.
"Fly the airplane all the way to the ground"
Selbst in einer Notfallsituation bleibt der Pilot stets aktiv und steuert das Flugzeug kontrolliert bis zum endgültigen Stillstand. Es ist entscheidend, niemals frühzeitig aufzugeben oder die Kontrolle zu verlieren, denn jeder Moment bewusster Steuerung kann dazu beitragen, das Risiko von Verletzungen und Schäden zu minimieren und Leben zu retten.
"Takeoffs are optional – landings are mandatory"
Ein Flug darf nur angetreten werden, wenn alle Voraussetzungen für eine sichere Landung am Zielort oder an einem geeigneten Ausweichflugplatz erfüllt sind. Jeder Start beinhaltet die verbindliche Verantwortung, das Flugzeug sicher wieder zu landen, weshalb die Planung und Einschätzung vor dem Abheben sorgfältig erfolgen muss.
"It’s better to be on the ground wishing you were in the air, than in the air wishing you were on the ground"
Eine gründliche und kritische Bewertung der aktuellen Wetterbedingungen sowie des eigenen körperlichen und mentalen Zustands ist von höchster Bedeutung für die Flugsicherheit. Bereits bei kleinsten Zweifeln oder Unsicherheiten sollte auf den Flug verzichtet werden, um unnötige Risiken zu vermeiden.
In solchen Fällen ist es verantwortungsvoll, das Flugvorhaben abzubrechen und lieber am Boden zu bleiben.
"See and Avoid"
Das Prinzip „See and Avoid“ bleibt eine unverzichtbare Grundlage der Flugsicherheit. Trotz moderner Technologien wie GPS, FLARM oder ADS-B kann die direkte visuelle Beobachtung anderer Luftfahrzeuge und Hindernisse durch den Piloten nicht vollständig ersetzt werden.
Diese Systeme dienen als wichtige Unterstützung, doch sie ersetzen nicht die eigene Verantwortung und Aufmerksamkeit im Cockpit. Nur durch ständiges Beobachten und frühzeitiges Erkennen von Verkehr kann Kollisionen effektiv vorgebeugt werden.
Wetter- & Entscheidungsfindung
Persönliche Mindestbedingungen festlegen:
Persönliche Fluggrenzen sollten stets strenger angesetzt werden als die gesetzlichen Mindestanforderungen. Gesetzliche Vorgaben definieren oft nur die absoluten Mindeststandards für Sicherheit und Tauglichkeit, während individuelle Limits zusätzliche Sicherheit bieten, indem sie persönliche Erfahrungen, Fähigkeiten und den aktuellen Gesundheits- oder Zustandsstatus berücksichtigen.
Wer sich konsequent an diese selbstgesetzten, strengeren Grenzen hält, minimiert Risiken und erhöht dadurch die eigene Sicherheit beim Fliegen deutlich.
Der IMSAFE-Check vor jedem Flug:
Eine ehrliche Selbsteinschätzung der eigenen Verfassung
- I – Illness: Bin ich gesund?
- M – Medication: Nehme ich Medikamente, die mich beeinträchtigen könnten?
- S – Stress: Bin ich emotional stabil?
- A – Alcohol: Bin ich frei von Alkohol – innerhalb sicherer Zeitgrenzen?
- F – Fatigue: Bin ich ausgeruht?
- E – Eating: Habe ich genug gegessen und getrunken?
Checklisten & Flugvorbereitung
Checklisten sind Gedächtnisstützen – keine Denkersatz
Checklisten dienen als wertvolle Unterstützung, um sicherzustellen, dass keine wichtigen Schritte oder Kontrollen vergessen werden. Sie sind jedoch keine Ersatzlösung für das eigene Verständnis und die situative Einschätzung des Piloten.
Jeder einzelne Punkt auf der Checkliste sollte bewusst wahrgenommen und mit Bedacht ausgeführt werden, anstatt sie mechanisch oder unreflektiert abzuhaken. Nur so wird gewährleistet, dass alle Sicherheitsmaßnahmen effektiv umgesetzt und potenzielle Gefahren frühzeitig erkannt werden.
Ein abgesagter Flug ist kein verlorener Flug
Eine bewusste Entscheidung, einen Flug abzusagen oder nicht anzutreten, wenn Zweifel an der Sicherheit bestehen, zeugt von Verantwortungsbewusstsein und gesundem Menschenverstand. Diese Haltung sollte keinesfalls als Feigheit oder Schwäche missverstanden werden.
Im Gegenteil: Es ist eine kluge und umsichtige Maßnahme, die das eigene Wohlbefinden sowie das Leben aller Beteiligten schützt. Sicherheit und Vorsicht sollten stets an erster Stelle stehen, denn kein Termin, keine Reise und kein Ziel sind wichtiger als die Gewissheit, sicher und unversehrt am Ziel anzukommen.
Wer sich für die Sicherheit entscheidet, handelt nicht nur im eigenen Interesse, sondern übernimmt auch Verantwortung gegenüber anderen Menschen.
Notfallverhalten & Fehlerkultur
"Plan for the worst – hope for the best"
Eine gründliche und sorgfältige Flugvorbereitung umfasst weit mehr als nur das Packen des Gepäcks oder das rechtzeitige Erscheinen am Flughafen. Dazu gehört vor allem auch die Vorbereitung und Planung von Ausweichplänen und Notfallstrategien, die im Falle unvorhergesehener Ereignisse schnell und effektiv umgesetzt werden können.
Diese Alternativpläne helfen dabei, auf wetterbedingte Verzögerungen, technische Probleme oder andere unerwartete Situationen flexibel zu reagieren, ohne in Panik zu geraten oder wertvolle Zeit zu verlieren. Im Ernstfall zeigt sich, wie wichtig eine umfassende Vorbereitung wirklich ist: Nur wer im Vorfeld mögliche Risiken analysiert und Strategien für den Umgang damit entwickelt hat, kann schnell, besonnen und sicher handeln.
Dadurch wird nicht nur die eigene Sicherheit erhöht, sondern auch das Wohl aller Passagiere und Beteiligten nachhaltig gewährleistet. Eine solide Vorbereitung ist somit unverzichtbar, um auch in kritischen Situationen Ruhe zu bewahren und bestmögliche Entscheidungen zu treffen.
"Make small mistakes – early"
In der privaten Fliegerei ist es völlig normal und menschlich, dass hin und wieder Fehler passieren – das gehört zum Fliegen einfach dazu. Wichtig ist jedoch, dass diese kleinen Fehler frühzeitig erkannt und korrigiert werden, bevor sie sich zu einem ernsthaften Problem entwickeln.
Denn während einzelne kleinere Abweichungen oft gut beherrschbar sind und keine unmittelbare Gefahr darstellen, kann die gleichzeitige Ansammlung mehrerer kleiner Fehler schnell zu einer gefährlichen Situation führen. Gerade in der privaten Luftfahrt, wo Piloten häufig eigenverantwortlich ohne die umfangreichen Sicherheitsnetzwerke des kommerziellen Flugbetriebs agieren, ist es deshalb besonders wichtig, aufmerksam zu bleiben und regelmäßig die eigene Leistung sowie die Flugparameter kritisch zu überprüfen.
Nur so lassen sich kleine Schwächen rechtzeitig ausgleichen und ein sicherer Flug gewährleisten. Die Fähigkeit, Fehler als natürlichen Bestandteil des Fliegens zu akzeptieren, ohne sie zu ignorieren oder zu unterschätzen, ist ein Zeichen von Erfahrung und Verantwortungsbewusstsein.
Denn das Ziel ist immer, durch rechtzeitiges Erkennen und konsequentes Korrigieren zu verhindern, dass sich viele kleine Fehler zu einem gefährlichen Problem häufen, das die Sicherheit des Flugs ernsthaft beeinträchtigen könnte.
"There are old pilots and there are bold pilots, but there are no old, bold pilots"
Umsicht und Vorsicht sind wesentliche Eigenschaften, die maßgeblich dazu beitragen, die Sicherheit im Flugbetrieb zu gewährleisten und somit das Fliegerleben langfristig zu verlängern. Besonders in der privaten Fliegerei, wo Piloten oft eigenverantwortlich agieren, ist ein besonnenes und vorausschauendes Verhalten unverzichtbar.
Ein gutes Beispiel dafür ist das korrekte Fliegen der Platzrunde: Hier sollten alle Manöver sauber und gemäß der festgelegten Verfahren durchgeführt werden, um Konflikte mit anderen Luftfahrzeugen zu vermeiden und jederzeit die Kontrolle zu behalten.
Ebenso wichtig ist die Durchführung von Airwork-Übungen stets in ausreichender Höhe. Diese Höhe bietet den nötigen Sicherheitsabstand, um eventuelle Fehler oder unerwartete Situationen frühzeitig zu erkennen und sicher zu korrigieren.
Denn gerade bei komplexen Manövern, wie Steilkurven oder langsamen Flugzuständen, ist die ausreichende Höhe eine unverzichtbare Sicherheitsreserve. Risikofreude oder das bewusste Ignorieren dieser Grundregeln haben im Cockpit keinen Platz, da sie die Gefahr eines Unfalls erheblich erhöhen können.
Umsichtiges und vorsichtiges Fliegen, insbesondere durch korrekt geflogene Platzrunden und sorgfältig durchgeführtes Airwork mit genügend Sicherheitsabstand, sorgt dafür, dass Piloten ihre Fähigkeiten sicher weiterentwickeln und dabei das Risiko minimieren. So bleibt das Fliegen nicht nur ein Erlebnis voller Freude, sondern auch ein verantwortungsvoller und sicherer Prozess, der das Fliegerleben nachhaltig verlängert.
Mentale Einstellung & Verantwortung
Der Pilot in Command trägt die Verantwortung
Unabhängig von den Meinungen, Einschätzungen oder Ratschlägen anderer Personen liegt die letztendliche Verantwortung und Entscheidungsbefugnis stets beim verantwortlichen Piloten. Gerade in der privaten Fliegerei, wo oft mehrere Personen gemeinsam im Cockpit sitzen, ist es von größter Bedeutung, vor dem Flug ganz klar und eindeutig festzulegen, wer die Rolle des „Pilot in Command“ (PIC) übernimmt.
Diese Festlegung sorgt dafür, dass alle Beteiligten von Anfang an wissen, wer die endgültigen Entscheidungen trifft, insbesondere in kritischen oder unvorhergesehenen Situationen. Eine klare Rollenverteilung verhindert Missverständnisse, Unsicherheiten oder Doppelentscheidungen während des Flugs und trägt somit maßgeblich zur Sicherheit bei.
Der Pilot in Command trägt die volle Verantwortung für die Flugführung, die Einhaltung aller Vorschriften und das Wohlergehen aller an Bord befindlichen Personen. Indem diese Verantwortung bewusst übernommen und kommuniziert wird, schaffen die Piloten eine klare Entscheidungsstruktur, die im Bedarfsfall schnelle, eindeutige und sichere Handlungen ermöglicht.
Dies ist ein wichtiger Bestandteil professionellen und verantwortungsbewussten Fliegens und fördert eine vertrauensvolle Zusammenarbeit im Cockpit.
Routine darf nicht zur Nachlässigkeit führen
Auch scheinbar einfache und alltägliche Flüge erfordern stets volle Konzentration und Aufmerksamkeit seitens des Piloten. Gerade in der privaten Fliegerei besteht die Gefahr, dass Routine und Vertrautheit mit den Abläufen dazu verleiten, nachlässig zu werden oder wichtige Schritte zu übergehen.
Doch genau hier liegt ein großes Risiko: Leichtsinn oder mangelnde Achtsamkeit können selbst bei vermeintlich unkomplizierten Flügen schnell zu gefährlichen Situationen führen. Jeder Flug, unabhängig von seiner Dauer oder Schwierigkeit, verlangt deshalb eine gewissenhafte Vorbereitung, eine sorgfältige Durchführung und eine ständige Wachsamkeit während des gesamten Fluges.
Nur so lassen sich Fehler vermeiden und die Sicherheit für sich selbst, die Passagiere und andere Luftverkehrsteilnehmer gewährleisten. Routine ist wichtig und hilfreich, darf jedoch niemals zu Selbstüberschätzung oder Nachlässigkeit führen – denn gerade in der privaten Fliegerei ist ein verantwortungsvoller Umgang mit jedem Flug die Grundlage für eine sichere und erfolgreiche Fliegerkarriere.
"Don’t let get-there-itis kill you"
Der Wunsch, einen Flugplan pünktlich und erfolgreich zu erfüllen und das Ziel unbedingt zu erreichen, ist verständlich und gehört zum Fliegeralltag. Dennoch darf dieses Ziel niemals dazu führen, dass Piloten riskante oder unüberlegte Entscheidungen treffen, die die Sicherheit gefährden könnten.
Gerade in der privaten Fliegerei, wo Piloten oft unter Zeitdruck stehen oder persönliche Erwartungen hoch sind, besteht die Versuchung, Kompromisse einzugehen – etwa bei schlechten Wetterbedingungen, technischen Problemen oder anderen ungünstigen Faktoren.
Doch es ist von größter Bedeutung, sich immer wieder bewusst zu machen, dass Sicherheit stets oberste Priorität hat. Kein Termin, keine Verpflichtung und kein persönliches Ziel rechtfertigen es, Risiken einzugehen, die das Leben des Piloten, der Passagiere oder anderer Luftverkehrsteilnehmer gefährden.
Verantwortungsvolles Fliegen bedeutet, auch in schwierigen Situationen besonnen zu bleiben, gegebenenfalls den Flug abzubrechen oder alternative Lösungen zu suchen, statt um jeden Preis „anzukommen“.
Wer diese Haltung verinnerlicht und konsequent lebt, sorgt nicht nur für den Schutz aller Beteiligten, sondern erhält auch die eigene Fliegerkarriere langfristig aufrecht. Sicherheit ist und bleibt das oberste Gebot – besonders in der privaten Fliegerei, wo die Verantwortung allein beim Piloten liegt.